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Abgefahrene Idee: Bis zur letzten Rille

Wie sicher sind Autoreifen, wenn die gesetzliche Mindestprofiltiefe erreicht ist? Michelin hat seine Strategie geändert und sichert nun zu: Sie werden nicht schlechter. Sie können gefahrlos gefahren werden bis zum gesetzlichen Limit von 1,6 Millimeter.

Längere Nutzung hilft sparen ©Michelin-Presse

Demnach sollen diese Reifen über die gesamte Lebensdauer „ein konstantes Leistungsniveau“ bieten und damit einen „wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt“ leisten. Michelin hat die Ergebnisse interner Testreihen vorgestellt. Damit sei dokumentiert, dass „Premiumreifen auch nahe der Nutzungsgrenze noch hervorragende Eigenschaften bei nasser und trockener Fahrbahn bieten können.“

Gleichzeitig hat der global agierende Reifenhersteller die neutralen Untersuchungsorganisationen aufgefordert, künftig nur fabrikneue oder wenige Kilometer eingefahrene Reifen zu testen. Zusätzlich sollen Reifen auch getestet werden, die am Ende ihrer Laufzeiterwartung sind. So könnten mit neutralen Vergleichsdaten verbraucherfreundliche Erkenntnisse gewonnen werden.

„Werden Reifen noch vor dem Erreichen der vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe gewechselt, wird die mögliche Nutzungsdauer künstlich verkürzt. Das sind für den Autofahrer unnötige Ausgaben“ , erklärt Terry Gettys, Executive Vice President für Forschung und Entwicklung sowie Mitglied des Executive Committees der Michelin Gruppe. „Neben unnötigen Kosten hat der verfrühte Reifenwechsel aber vor allem negative Folgen für die Umwelt“, so Gettys weiter.

Die Unternehmensberatung Ernst & Young schätzt, dass allein die europäischen Reifenkäufer unnötigerweise sechs Milliarden Euro pro ausgeben, weil sie zu früh in Neureifen investieren.

Kaum Unterschiede beim Bremstest ©Michelin-Presse

Michelin hat in Reihenmessungen bewiesen, dass Qualitätsreifen nahe der Nutzungsgrenze fast die gleichen Nassbremseigenschaften aufweisen können wie manche Neureifen. Deshalb sprechen sich die Michelin-Forscher und Entwickler dagegen aus, die Profiltiefe als Indikator für Nassbremsqualität anzuführen. Schon heute gibt es Reifent, die bis zur Nutzungsgrenze sehr guten Grip auf nasser Fahrbahn bieten. Dazu ermöglichen sie ein konstant hohes Maß an Sicherheit über den gesamten Produktzyklus und bieten damit einen verlässlichen Mehrwert für die Kunden.

Nass oder trocken?

Derzeit geht man davon aus, dass die Bremseigenschaften auf nasser Straße unter Sicherheitsaspekten hoch bewertet werden müssen: Die meisten Kilometer legen Autofahrer in Europa bei trockenen Verhältnissen zurück. Jährliche Erhebungen zeigen, dass beispielsweise die Straßen in London zu 71 Prozent trocken sind. Lediglich an 106,5 Tagen pro Jahr fallen Niederschläge.

Die europäischen, meist trockenen Straßenverhältnisse kommen den Autofahrern entgegen, die ihre Reifen länger nutzen. Im Motorsport ist der profillose Slick der bevorzugte Reifen, da er die größte Aufstandsfläche, damit den meisten Grip und auch die besten Bremswerte auf trockenem Asphalt bietet. Das gilt auch für den Straßenreifen: Mit abnehmender Profiltiefe verbessern sich die Bremswerte sogar bei Trockenheit. Damit sind eingefahrene Reifen in dieser Disziplin den Neureifen überlegen.

Weiterer positiver Nebeneffekt: Mit sinkendem Profilanteil gehen auch die Geräuschemissionen zurück. Seit Einführung des Reifenlabels sind die Fahrgeräusche durch Reifen deutlich stärker in den Fokus gerückt. Werden Reifen tatsächlich bis zur Verschleißgrenze genutzt, sinkt auch die globale Geräuschentwicklung im Straßenverkehr.

Langes Leben schont die Umwelt

Ein weiterer positiver Effekt des Reifeneinsatzes bis zur Nutzungsgrenze sind die geringeren Auswirkungen von Mobilität auf die Umwelt. Die Michelin Long Lasting Performance Strategie spart nicht nur Kosten, sondern reduziert auch CO2-Emissionen. Nach Berechnungen von Michelin bedeutet ein Reifenwechsel vor der gesetzlichen Laufflächenabnutzungsgrenze von 1,6 Millimetern einen Mehrbedarf von 128 Millionen Reifen pro Jahr allein in Europa. Zählt man den Materialverlust durch zu früh entsorgte Reifenmäntel hinzu, beläuft sich das Einsparpotenzial auf zusätzlich neun Millionen Tonnen CO2-Ausstoß jährlich.

Dazu kommt, dass der Rollwiderstand bei Reifen über den gesamten Lebenszyklus stetig sinkt. Abgefahrene Reifen haben nur 80 Prozent des Rollwiderstands von neuen. Deshalb führt ein verfrühter Austausch auch dazu, dass die Reifen aussortiert werden, bevor sie ihre maximale Kraftstoffeffizienz und damit ihr Kraftstoffsparpotenzial ausspielen können.

Klimaziele und Profiltiefe

Michelin möchte im Sinne der Klimaziele ein Umdenken sowohl bei den Reifenherstellern als auch bei den Autofahrern anstoßen. Die verfrühte Reifenentsorgung schadet der Umwelt und steigert die CO2-Emissionen. Tests müssen deshalb nicht nur den Neuzustand prüfen, sondern auch die Leistungsfähigkeit über die gesamte Lebensdauer.

„Niemand wirft seine Schuhe weg, weil sie geputzt werden müssen, oder entsorgt eine halb volle Tube Zahnpasta. Warum sollte jemand also Reifen auswechseln, wenn er davon überzeugt ist, dass sie noch sicher sind?“, argumentiert Terry Gettys gegen den verfrühten Reifenwechsel.

Bei Michelin hat man sich bewusst gegen das Prinzip der „planned obsolescence“ entschieden, sprich der absichtlich geplanten Verringerung der Produkt-Lebensdauer. „Michelin fühlt sich der ,programmed longevity‘ verpflichtet. Nachhaltige Performance ist der Schlüssel unserer Unternehmensstrategie, in der die Kundenzufriedenheit den allerhöchsten Rang einnimmt“, so Gettys.

Felix Berg

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