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Verkehrsgerichtstag: Goslarer Watschen-Mann

Rechts- und Verkehrsexperten haben beim 57. Deutschen Verkehrsgerichtstag der Politik die Leviten gelesen und klare Forderungen aufgestellt. Ob und wann diese realisiert werden, bleibt mal wieder abzuwarten.

 ©ADAC

Ob auf dem Prater in Wien oder bei Kirmes- und Volksfesten - der Watschenmann ist eine beliebte Figur, auf die man ganz schön draufhauen kann. Beim 57. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar haben rund 2000 Experten in acht Arbeitskreisen Empfehlungen ausgesprochen, die meisten davon richten sich an Gesetzgeber und stellen gleichsam ein Zeugnis darüber aus, was bisher nicht so funktioniert, wie es sein könnte, sollte oder müsste.

Das Diesel-Fahrverbot war im Arbeitskreis 7 höchst umstritten, fünf von sechs Empfehlungen stellen sich eindeutig auf die Seite der betroffenen Autobesitzer:

Die Europäische Kommission wurde einstimmig aufgefordert, zeitnah den Grenzwert von 40 Mikrogramm/m3 auf seine wissenschaftliche Fundiertheit und Belastbarkeit zu überprüfen und künftig eine gesetzlich verpflichtende Evaluierung von Grenzwerten vorzusehen.Nur auf der Grundlage eines wissenschaftlich fundierten Grenzwertes dürfen Fahrverbote als in Grundrechte eingreifende Maßnahmen als letztes Mittel angeordnet werden.

Zudem wurde der Gesetzgeber aufgefordert, ein Gesamtkonzept zur Reduzierung sämtlicher relevanter Schadstoffe einschließlich NO2 zu entwickeln.

Klare Forderung auch für eine schnellstmögliche Reduzierung der NO2-Werte durch eine zeitnahe Hardware-Nachrüstung, für deren kurzfristige KBA-Zulassung und für staatliche Anreize.  Die Autoindustrie wird aufgefordert, sich an den Kosten einer Nachrüstung zu beteiligen.

Die derzeitige rechtliche Grundlage für das Aufstellen der Messstationen genüge nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Es wurden eindeutige standardisierte Vorgaben für die Positionierung von Messstationen gefordert. Und letztlich: Erlassene Fahrverbote seien fortlaufend auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Der neue Präsident Prof. Ansgar Staudinger

 ©Verkehrsgerichtstag

Im Arbeitskreis 1 zeigten sich Zweifel an der 2013 eingeführten Reform des Punktsystems. Kernpunkt der Kritik war die sogenannte Überliegefrist. Damit bleibt der Punkverstoß noch ein Jahr länger aktenkundig, obwohl er eigentlich keine Wirkung mehr haben dürfte, damit die Straßenverkehrsbehörden rechtzeitig „Kenntnis“ von neueren Verstößen innerhalb der normalen Tilgungsfrist erhalten. Je nach Einzelfall kann ein Verkehrssünder um ein Fahrverbot herumkommen. Das soll künftig einheitlich geregelt werden.

Generell sollten nur verkehrssicherheitsrelevante Zuwiderhandlungen mit Punkten belegt werden. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort sowie allgemeine Straftaten, auch wenn für sie neuerdings ein Fahrverbot verhängt werden kann, sollen nicht mit Punkten bewertet werden.

An allen drei Sitzungstagen meldeten die Verkehrssender schwere und tödliche LKW-Unfälle. Der Arbeitskreis 6 formulierte klare Empfehlungen für mehr Sicherheit durch Notbremsassistenten, mit denen die Auffahrunfälle verhindert oder ihre Folgen reduziert werden.

Schlagzeilen machte der Abbiegeassistent, der die schwächeren Verkehrsteilnehmer - egal ob Radler oder Fußgänger - ins Visier nimmt und nicht unter die Räder kommen lässt.  International soll vorgeschrieben werden, dass alle neuen Lkw und Busse damit ausgerüstet werden.  Wegen der vielen Verstöße gegen die Sozialvorschriften sollen Polizei und Bundesamt für Güterverkehr (BAG) aufgestockt werden, damit flächendeckend kontrolliert werden kann. Außerdem wurden zusätzliche Stellplätze für Brummis gefordert, damit die Ruhezeiten eingehalten werden können.

Rein formell ist nachzutragen, dass sich das Präsidium des Verkehrsgerichtstages, seit 25. Januar 1963 als eingetragener Verein etabliert, neu aufgestellt hat:

Kay Nehm, Generalbundesanwalt d.D. und langjähriger Präsident des VGT, der eigenen Worten zufolge in der Tempolimit-Diskussion einräumte, bei freier Bahn auch gerne mal schneller zu fahren, kandidierte nicht mehr. Sein bisheriger Stellvertreter Prof. Dr. Ansgar Staudinger, ist jetzt Präsident. Er hat einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privat-, Verfahrens- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft.

von Ernst Bauer

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