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Camping ist grenzenlose Freiheit? Das war früher mal so

Immer voller, immer teurer, ohne Reservierung geht vielerorts nichts – ist das noch das, wofür Camping eigentlich steht? Der Boom der vergangenen Jahre hat die Reiseform arg verändert.

Campingplatz Nals in Südtirol.

 ©Michael Kirchberger

Die Erfolgswelle, die nun seit Jahren schon nicht abzuebben scheint, hat der Caravaning-Branche fette Umsätze und Gewinne beschert. Der Urlaub im Camper-Van oder im Reisemobil ist nach wie vor äußerst beliebt, wenngleich die Versprechen der Industrie nicht mehr ganz die Realität widerspiegeln. Denn der Ansturm auf die beliebten Feriendestinationen ist immens, die Zahl der Camping- und Stellplätze ist zwar gewachsen, kann aber mit der Zahl der Reisemobile in Deutschland, die sich innerhalb der vergangenen sechs Jahre von rund 500.000 auf gut eine Million Fahrzeuge mehr als verdoppelt hat, nicht mithalten. Die Folge ist, dass ohne Reservierung nichts mehr geht. Unser Nachbar zumindest hat seinen Spanienurlaub an der Costa Brava rechtzeitig gebucht: Nicht den für dieses Jahr, sondern für 2025.

Das aber widerspricht dem ursprünglichen Gedanken des Reisens im Wohnmobil oder Caravan. Morgens losfahren ohne zu wissen, auf welchem malerisch gelegenen Plätzchen am Wildbach oder Strand man am Abend landet – diese Zeiten sind lange vorbei. Zumal das Wildcampen in Europa lückenlos verboten ist. Nur in Skandinavien gibt es Ausnahmen, wenn man vom Besitzer des Grunds, auf dem man die Nacht verbringen möchte, eine Erlaubnis erhält. Sofern sich der in den dünn besiedelten Gegenden von Schweden oder Norwegen überhaupt finden lässt. Die Reise will also im Voraus minutiös geplant werden und das ist im Vergleich zu früher nur der halbe Urlaubsspaß.

Voll belegt: Wohnmobilstellplätze.

 ©Michael Kirchberger

Ein Licht am Horizont sind die vielzähligen Angebot der Landwirte. Vor allem Deutschlands Winzer haben die Campinggäste als zechwillige und kauffreudige Kundschaft entdeckt, wo doch auch das Ladevolumen eines Reisemobils allenfalls durch die Gewichtsbeschränkung eine Grenze setzt. Auch in der Champagne in Frankreich oder dem Friaul in Norditalien stoßen Reisende immer häufiger auf gastfreundliche Agrarbetriebe. Gerade in Italien hat dies eine lange Tradition, nachdem der Agriturismo früher eine Art Bed & Breakfast war, hat manch Bäuerlein die Wiese hinter der Scheune für Reisemobile freigegeben, hat Stromanschlüsse samt Ver- und Entsorgungseinrichtungen geschaffen und bisweilen sogar ein Sanitärhäuschen mit Toilette und Dusche gebaut. Dass diese Art zu campen durchaus mehr Charme haben kann als ein Urlaub auf dem Mammutplatz mit 500 Parzellen am Strand von Jesolo, wo der Nachbar sein rollendes Ferienhaus kaum eine Elle vom eigenen entfernt aufgestellt hat, liegt auf der Hand.

Viele, die sich für den Kauf eines Reisemobils entschieden haben, lernen schnell: Campen ist nicht die Billigvariante des Hotelurlaubs. Das fängt bei der Anschaffung an. Die Preise sind in den vergangenen Jahren förmlich explodiert, wo früher noch knapp 40.000 Euro ausreichten, um ein neues „Womo“ mit Alkoven zu bezahlen, müssen dafür heute mindestens 10.000 Euro mehr an den Händler überwiesen werden. Die laufenden Kosten des Campers sind auch nicht ohne, die Versicherungsprämien steigen aktuell wieder, und auch der Treibstoffverbrauch von mindestens zehn Litern Diesel will im Urlaubsbudget eingeplant werden. Von den deutlich teureren Straßenbenutzungsgebühren in vielen Ländern ganz zu schweigen.

Und auch die Preise der Campingplätze sind gestiegen. Kroatien hat dabei die Nase unrühmlich vorne, im Durchschnitt werden hier je Nacht 69 Euro für ein Reisemobil und zwei Erwachsene fällig. Auf Platz zwei hat sich Italien mit 65 Euro geschoben, die Schweiz belegt mit knapp 59 Euro Rang drei.

Camping mit Zelt, Zeltanhänger oder Wohnmobil.

 ©Michael Kirchberger

Deutlich günstiger geht Campen in Frankreich, wo die örtlichen Camping Municipal auch in attraktiven Regionen Plätze zum Preis von 25 Euro offerieren. Noch weniger zahlt man innerhalb der deutschen Landesgrenzen. Zwischen fünf und 15 Euro verlangen die Winzer von ihren Gästen fürs Übernachten, günstig sind auch die östlichen Bundesländer, wo je nach Ausstattung zehn bis 15 Euro berechnet werden.

In jüngerer Vergangenheit haben sich in den üblichen Stellplatz-Apps zahlreiche Vermittlungsagenturen wie Alpaca oder Roadsurfer eingenistet, über die der Zahlungsverkehr für Stellplatz- und Service-Gebühr abgewickelt wird und die eine vermeintliche Exklusivität für die Vermittlung in Anspruch nehmen. Zumindest werden Kontaktdaten und die genauen Adressen erst nach erfolgter Zahlung mitgeteilt. Allerdings lassen sich die wenigsten Stellplatzanbieter davon beeindrucken und sind, sofern zumindest der Name angegeben wird, meist schnell über ihre eigene Webseite zu finden. Das spart auf jeden Fall die Servicegebühr.

Wie auch immer, die grenzenlose Freiheit, die so manche Reisemobilwerbung vorgaukelt, gibt es nicht mehr. Wer jedoch ein paar wenige Regeln beherzigt, der kann auch heute noch ein Urlaubsgefühl genießen, das noch vor kaum 20 Jahren zur Ferienfahrt dazugehört hat. Wer kann, sollte die Hauptreisezeiten meiden, ebenso touristische Hotspots wie Venedig oder die Mosel. Zwischen Trier und Koblenz ist es auch im Frühjahr schön, die Serenissima ist im November am wenigsten überlaufen.

Michael Kirchberger cen