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Fast ein ganzes Bulli-Leben - und was nun?

35 Jahre alt und fast sein ganzes Leben gehört er zur Familie – dass dieser T3-Camper über den Winter immer stillgelegt war, ist für ihn Fluch und Segen zugleich. Weil sich ein Vollgutachten nach einer längeren Pause für einen kurzen Urlaub nicht rechnete, kam er jahrelang nicht aus seiner Garage. Dafür ist er heute absolut original und rostfrei. Mich treibt der Gedanke um, wie es mit ihm weitergeht: Behalten oder Verkaufen...

Erstkontakt im Stuttgarter Autoport

Als ich 24 war, träumte ich davon, im eigenen VW-Camper unterwegs zu sein. Das war 1986, und ich studierte noch. Mein neuer Reisegefährte sollte mich lange begleiten und deshalb möglichst jung und fit sein. Das erforderliche Budget ließ mich die Entscheidung allerdings immer wieder aufschieben. Dann entdeckte mein Vater im Februar 1987 ein passendes Basisfahrzeug für den geplanten Eigenausbau. Der 9-Sitzer-Bus hatte sein erstes Lebensjahr im Dienst der Volkswagen Vertriebsniederlassung Süd verbracht und stand nun zum Verkauf. Ein 78-PS-Wasserboxer, 5-Gang-Getriebe, dunkelblau. Perfekt.

Das Aufstelldach mit Doppelbett und die Möbelbausätze kaufte ich bei Mobil Tours, damals Reimo-Händler in Unterensingen. Diesen Profis vertraute ich auch die Montage des Dachs an – schon allein, weil unsere Garage dafür nicht hoch genug war.

Alles Gute kommt von oben...

Im April und Mai 1987 verbrachten wir fast jede freie Minute in meinem blauen Schatz. Mein Vater war vorrangig für die Technik zuständig – Elektrik, Zweitbatterie, Radio, Alarmanlage... Dank seiner Kontakte ersetzten Recaro-Sitze die vordere Sitzbank, ein Sportlenkrad das viel zu große und dünne Original und BBS-Felgen die Stahlräder. Ich kümmerte mich indes vor allem um die Möbel und deren Einbau. Meine Mutter nähte Vorhänge und übernahm Polsterarbeiten. Ein echtes Familienprojekt.

Auf eine Gasanlage, einen eingebauten Kocher oder einen Kühlschrank verzichtete ich bewusst. Dadurch konnte ich den Camper als Pkw zulassen, was für mich günstiger war.

An einem verregneten Frühsommer-Wochenende führte die erst Fahrt an den Tegernsee. Dach und Stoffwände bestanden den Dichtigkeitstest problemlos. Oben zu schlafen genoss ich fortan besonders. Die Luftigkeit des Zeltstoffs gab einem beinahe das Gefühl, im Freien zu liegen, und trotzdem fühlte man sich sicher und geborgen.

Schöne Reisen, schöne Stunden mit dem blauen T 3

Auf der ersten dreiwöchigen Reise wollten wir – zwei befreundete Pärchen – Südfrankreich und Andorra erkunden. Vorbei am Genfer See, entlang der Ardèche und weiter über Orange und Avignon, ging´s zum Pont du Gard. Danach über Nîmes und Sète ins mittelalterliche Carcassonne. Als wir schließlich in der Höhe Andorras ankamen, waren unsere Körper noch immer auf Mittelmeerhitze eingestellt. Wo sich andere in Badehose und Bikini sonnten, packten wir unsere Daunenanoraks aus. Vom Pyrenäen-Zwergstaat zog es uns zwei Tage später weiter, Richtung Atlantikküste. Zur Dune de Pyla. Die größte Wanderdüne Europas ist beeindruckende 2,7 Kilometer lang und rund 110 Meter hoch und bis heute eines meiner liebsten Ziele.

Drei Monate später verstand ich, weshalb uns der Zöllner kurz zuvor bei der Einreise nach Dänemark intensiv über unsere Alkoholvorräte befragt hatte: Irgendwo in Jütland fiel mir eine Halbliterflasche Johnny Walker Red Label ins Auge, die umgerechnet über 60 Mark kosten sollte. Einige Wochen zuvor in Andorra kostete die doppelte Menge wenig mehr als zehn Mark. Was hätten wir auf unserer Rundreise um die dänische Halbinsel billig leben können!

Ein gutes Jahr später war mein Bulli der Held eines Reiseberichts mit dem Titel „Jütland – ein gutes Stück Skandinavien gleich hinter Flensburg“ in der Reisezeitschrift Tours.

Innenverkleidung raus, Sitze raus, Trennwand raus

Mein blauer Gefährte und ich liebten es, in Frankreich unterwegs zu sein. Länger als 14 Tage Urlaub am Stück waren damals für uns leider selten drin. Deshalb schienen Spanien, Portugal, Norwegen, Schweden oder Finnland zu weit entfernt. Die Fähren nach Korsika, England oder Irland waren zu teuer und die osteuropäischen Länder Ende der 80er- und zu Beginn der 90er-Jahre noch kein Reiseziel für uns. Neben unserem Lieblingsland bereisten  wir deshalb bis zur Jahrtausendwende vor allem Italien, Belgien und Holland.

Über den Winter parkte der Bulli in seiner Garage. Meist für rund fünf Monate stillgelegt – Saisonkennzeichen gab´s damals noch nicht. Als es mich zu Beginn des neuen Millenniums mal nach Australien und mal nach Mexiko zog, blieb er zwei Jahre lang abgemeldet stehen. Für den Alltag hatte ich inzwischen ein anderes Auto, und für die wenigen kurzen Reisen, die in der Folgezeit möglich waren, rechnete sich der Aufwand für ein Vollgutachten nicht. So verbrachte mein blauer Camper Jahr für Jahr an seinem trockenen, warmen Schlafplatz und setzte nach und nach Staub an.

Werkstatt-Check ohne Mängel

Im Sommer 2020 beschloss ich, meinen alten Reisegefährten endlich wieder auf die Straße zu bringen. Ein befreundeter Mechaniker nahm sich seiner an, und war sofort begeistert vom rostfreien Originalzustand der Karosserie. Er überholte Vergaser und Bremsen, tauschte Brems- und Benzinleitungen, Filter, Gummis, Reifen, Batterie… Wir waren guter Dinge, bald ein H-Kennzeichen montieren zu dürfen und wieder unterwegs zu sein. Was wir allerdings nicht bedacht hatten: Im gefüllten Tank hatten sich im Lauf der Standzeit Ablagerungen gebildet. Sie verstopften die neuen Benzinleitungen und den frisch überholten Vergaser bereits nach kurzer Laufzeit wieder. Wir hatten inzwischen Ende Oktober. Der Plan war, Kraftstofffilter und Benzinleitungen ein zweites Mal zu tauschen und dazu auch noch den Tank. Weil ich aber jedes Risiko ausschließen wollte, dass mein Bulli auf dem Rückweg von der Werkstatt mit Salz in Berührung kommt, schickte ich ihn zunächst in einen weiteren Winterschlaf.

Nahe Sète, abendessen am Campingplatz

Etwa zur gleichen Zeit unterhielt ich mich mit einem Spezialisten für meinen zweiten „Oldtimer“ – einen Porsche 944 S2, der meine Garage ebenfalls seit fast 20 Jahren nicht verlassen hat. Im Lauf des Gesprächs fragte ich ihn, welches der Autos er an meiner Stelle verkaufen würde, wenn es gelte, Platz zu schaffen. Der Mechaniker sah durchs Hallentor auf den Hof. Dort stand mein Alltagsauto, ein BMW 3er Touring. Er nickte in seine Richtung und sagte: „Den da.“

Doch mein „Für-jeden-Tag-Auto“ brauche ich. Das muss bleiben. Andererseits bald kommt noch ein etwas größerer, besser ausgestatteter Camper-Van hinzu – all die Jahre haben an mir tiefere Spuren hinterlassen als an meinem Bulli, deshalb freue ich mich auf den zusätzlichen Komfort für künftige Reisen. Durch diesen Familienzuwachs stellt sich nun jedoch die Frage, ob ich meinem T3 einen zweiten Frühling schenken kann oder ob ich ihn nicht besser ab einen anderen Liebhaber abgeben sollte. Doch nach allem, was wir gemeinsam „erfahren“ haben, schmerzt der Gedanke an einen Abschied sehr. So viel steht fest: Sollte ich meinen blauen Schatz in andere Hände geben, dann nur in gute und liebevolle, die mit ihm hoffentlich ebenso viele schöne Stunden erleben werden wie ich.

Und nun liebe Leserinnen und Leser: Schreiben Sie einfach an die Redaktion, wie Sie entscheiden würden - und gerne auch, wenn Sie sich für dieses Schmuckstück interessieren. Wir leiten ihre Mails direkt an die Besitzerin weiter.

Noch mehr Fotos gibt es in der Galerie.

Mona Willrett

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