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4300 Tage unterwegs auf fünf Kontinenten

Juliana und Dieter Kreutzkamp überschreiten jeden selbst gesetzten Zeitraum, kein Ziel ist ihnen zu fern, kein Umweg zu weit, keine Anstrengung zu groß. Kapstadt, Sydney, Tokio, Honolulu, Buenos Aires, Manitoba - so heißen nur einige der Stationen auf einer 500.000 Kilometer langen Reise durch alle Kontinente. Lesen Sie hier einen Auszug aus Dieter Kreutzkamps Buch "Weltreise - 4.300 Tage unterwegs auf fünf Kontinenten".

Mit dem geländegängigen Bulli "Methusalem" in Äthiopien. ©Dieter Kreutzkamp

Die Landschaften wechseln: berauschende Farben im Senegal, tropische Hitze und dann klirrende Kälte beim Aufstieg auf den Kilimandscharo, Sandverwehungen, die in der Sahara jede Strecke zu einer gefährlichen Herausforderung machen. Die Kreutzkamps wählen für die Etappen ihrer Reise unterschiedliche Fortbewegungsmittel: Los geht es mit einem VW Bus durch Europa, Afrika und Asien, weiter mit dem Fahrrad durch Australiens Outback, per Motorrad durch Japan, im Kanu durch Kanada und mit Hundeschlitten durch Alaska.

Mit dem Bulli "Stanislaus" auf dem Alaska Highway. ©Dieter Kreutzkamp

Im Namen der Freiheit

Ich war verliebt, und zwar doppelt. Juliana arrangierte sich damit, zumal sie immer die Nummer eins blieb. Eines Tages kam ich mit leuchtenden Augen nach Hause, und es sprudelte nur so aus mir hervor: "An dem stimmt alles! Nicht ein Kratzer. Motor wie neu, von einem älteren Ehepaar gefahren - kurz, es war Liebe auf den ersten Blick!"

Juliana war nicht so begeisterungsfähig wie ich. Sie sah mich prüfend an und fragte ganz pragmatisch: "Wie viel?" "Fünfeinhalbtausend Mark." "Wie alt?" "Zehn Jahre." "Eine Menge Geld für einen Oldie!" Aber nach der ersten Spritztour willigte sie ein. So wurde aus der Liebe auf den ersten Blick ein Dauerverhältnis.

Die Westfalia-Einrichtung glänzte in Echtholz, es gab einen großen Wassertank, solide gearbeitete Schränke, hübsch und doch zweckmäßig bezogene Polster. Und ein Schiebedach, das fast über die gesamte Wohnfläche reichte. Wir waren stolz auf unser erstes rollendes Zuhause. Und weil unser neues Gefährt ein geradezu biblisches Alter hatte, tauften wir es auf den Namen "Methusalem"...

Ich schlief fest, und als der Wecker um sieben Uhr klingelte, musste Juliana mich wachrütteln. Um acht Uhr erschien der Reporter, und tatsächlich waren wir mit allem fertig. Vier Tage später war in der "Deister-Leine-Zeitung" zu lesen:

"Ein lang gehegter Traum wurde Wirklichkeit - für drei Jahre auf große Weltreise: Der 14 Jahre alte VW Kombi mit 34-PS-Motor, das Heim für viele Monate, ist ausgenutzt bis auf den letzten Zentimeter. Jede Ecke ist gefüllt mit notwendigen Utensilien. Dass das Fahrzeug mit einem neuen Motor ausgestattet ist, besondere Stoßdämpfer erhalten hat und sich an Bord viele Werkzeuge und Ersatzteile befinden, ist eigentlich selbstverständlich, interessant aber sind die anderen Ausrüstungsgegenstände: Sandbleche, ein Greifzug zur Selbstbefreiung aus misslichen Lagen und ein Wassertank für 100 Liter Vorrat für die Durchquerung der Sahara-Wüste gehören ebenso zur Ausrüstung wie Benzinkanister für 160 Liter, Tauschobjekte, Lebensmittel, Barometer, Überlebensdecken, Leuchtraketen, Moskitonetze und diverse andere Gegenstände.

Allein für 1.000 Mark haben sie Filmmaterial an Bord. Des weiteren Medikamente in großer Zahl. Hier hat das Tropeninstitut beratend mitgewirkt. Die Handhabung einer Spritze ist von beiden genauso gelernt worden wie viele andere notwendige Dinge. Übrigens gehört zur Ausrüstung auch eine Behelfszahnplombe. Der ‚Weltbummel’ führt zunächst durch ganz Afrika. In Südafrika soll der VW verkauft werden. Wie dann die Reise weiter geht, wird sich dort entscheiden..."

Mit Tochter Bettina in den kanad. Northwest Territories. ©Dieter Kreutzkamp

Ich quetschte mich während des Interviews auf die linke Seite der Bulli-Stoßstange, Juliana auf die rechte. Der Reporter saß uns auf einem unserer Campingstühlchen gegenüber. "Von Afrika wollen wir nach Asien, vermutlich werden wir uns mit dem Schiff übersetzten lassen", erzählte ich. "Wir planen, Borneo und Sumatra zu durchqueren. In Neuseeland werden wir uns einen alten Traum erfüllen und die beiden Pazifik-Inseln per Fahrrad abstrampeln. Dann geht es weiter nach Australien und schließlich nach Japan."

Ich holte tief Luft. Hoffentlich hält der Journalist dich nicht für einen Spinner, dachte ich, denn erzählen und träumen kann man viel. Noch hatten wir nicht einen einzigen Kilometer zurückgelegt. Ich schob die Bedenken zur Seite. "Für Japan haben wir sechs Monate eingeplant, um unsere Karate-Kenntnisse zu verbessern."

"Und was ist das Ziel der Reise?" Oft hatten Juliana und ich darüber diskutiert. Wir wussten es nicht. Feuerland reizte mich genauso wie Südafrika, Hongkong, Argentinien oder die Philippinen. Ich war weder hier noch dort gewesen. Und jeder dieser Namen klang geheimnisvoll und verlockend. Wie sollten wir da Prioritäten setzen, wie Ziele benennen, die wir überhaupt nicht kannten?An diesem Morgen des 26. April zitierte ich Montaigne: "Ich antworte gemeinhin denjenigen, die mich um die Ursache meiner Reisen fragen: Ich weiß gar wohl was ich tue, aber nicht was ich suche." Doch ich verriet dem Journalisten auch, dass tief in meinem Herzen eine Sehnsucht schlummerte: Kanada. Auf Pferden und im Kanu würde ich dort gern unterwegs sein. Und dann war da noch Alaska...

Mit dem T3 an der Grenze zum Yukon Territory. ©Dieter Kreutzkamp

Ein Jahr später: Nach einem Dutzend zerfetzter Reifen, nach diversen Rahmenbrüchen, nachdem Bulli "Methusalem" sich durch den Schlamm Zentralafrikas gebissen hatte und durch die tierreichen Savannen Ostafrikas gerollt war, treffen Juliana und Dieter im südafrikanischen Johannesburg eine geradezu schicksalhafte Entscheidung.

An diesem Abend feiern sie mit ihren Freunden Udo und Josef ihre geglückte Afrika-Durchquerung. In wenigen Wochen soll sie ein Schiff von Südafrika nach Australien bringen, von wo aus sie ihre Reise über Süd- und Nordamerika fortsetzen wollen. Doch es kommt anders...

Wir öffnen die erste Flasche "Nederburg", einen Roten aus Paarl im Western Cape. Es ist gegen ein Uhr morgens, als Juliana meint, es sei genug, wir Kerle seien sowieso alle überdreht, und sie wolle nun ins Bett gehen...

Udo und Josef sagten mir später, dass ich mein Glas nachgefüllt und mich dann mit den Karten in eine Ecke verzogen hätte. Danach sei von mir nichts mehr zu merken gewesen. Ich sehe auf die Uhr: 4.15 Uhr morgens. Jetzt oder nie!

Vorsichtig steige ich über unsere Landkarten. Juliana schläft schon lange. Trotzdem, jetzt oder nie, sage ich mir. Wichtige Entschlüsse soll man nicht auf die lange Bank schieben. Ich muss ihr unbedingt meine Idee mitteilen. "Ein Mann mit einer neuen Idee ist unausstehlich, bis er der Idee zum Erfolg verholfen hat", sagte der geniale Spötter Mark Twain.

Nur ein leichtes Summen der Großstadt ist zu vernehmen, als ich auf den Hof trete. Noch liegt Johannesburg im Schlaf. Ich versuche "Methusalem" aufzuschließen. Ohne Erfolg, offenbar hat Juliana das Auto von innen verriegelt.

Kreutzkamp-Buch "Weltreise". ©Malik National Geographic

Ich klopfe. "Hallo Schatz!" Juliana öffnet, schiebt den Kopf ein Stück vor, reibt sich die Augen. Sie sagte mir später, ich hätte mit leuchtenden Augen dagestanden, direkt unter dem Kreuz des Südens, mit den großen Afrikakarten unter den Armen, und es sei nur so aus mir herausgesprudelt.

"Mädel..." Ich sehe sie an. Sie ist zwar verschlafen, aber doch so wach, dass sie bestimmt mitbekommt, was mir auf dem Herzen brennt. "Mädel, wir wollen doch nach Australien..." Ich warte eine Antwort nicht erst ab. "...es gibt verschiedene Möglichkeiten, dorthin zu kommen. Wir müssen gar nicht unbedingt das Schiff nehmen. Wir könnten auch über Botswana und Äthiopien nach Nordafrika fahren. Von da wär's dann nur noch ein Sprung bis zum Iran, über Afghanistan und Indien kämen wir nach Südostasien. Von Singapur oder Kuala Lumpur ist Australien nur noch einen Steinwurf entfernt." Mein Herz schlägt wie wild.

Diese verrückte Idee hatte beim zweiten Schoppen "Nederburg" Konturen angenommen. Du bist frei, wir sind frei, herrlich frei wie die Vögel. Und wenn wir hier der Spontaneität keinen Freiraum geben... ja, wann denn dann?!

Der Morgen ist mild. Die Sterne funkeln, wie am Vorabend, als sie uns begrüßt hatten. Ich atme tief ein. "Was hältst du von dieser Idee?" Sie reibt sich die Augen, schaut mich lange an. Ich werde nie vergessen, wie sie sagte: "Ja, ja - mach man!"

So geschah es. Nach diesem Entschluss unter dem funkelnden Sternenhimmel Südafrikas fuhren wir einen Umweg von 60.000 Kilometern. Mit einjähriger Verspätung erreichten wir Australien.

Dieter Kreutzkamp