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Im Bulli entlang der Werra Teil 1

Im vergangenen Sommer unternahm Bernd "Bernie" Bohle mit Frau und Hund in seinem T3 "Bruno" eine Reise entlang der Werra. In seinem Bericht lässt er uns an den Erlebnissen teilhaben.

 ©Bernd Bohle

Hallo Bulli-Freunde!

Wasser zieht an, Wasser bewegt. Das tut ein Bulli auch! Beides mit ein wenig lokalem Bezug kombiniert ergab auf unserem Reißbrett eine Tour, die nicht zum Wasser hin, sondern am Wasser entlang führte. Die Werra sollte uns mit ihrem geschichtsträchtigen Verlauf Streckenvorgabe sein. Was die Weser uns bereits so eindrucksvoll bewiesen hat, galt es nun auch in diesem Strom zu entdecken.

Die Vorbereitungen für diese zweitägige Tour beginnen wie immer am Rechner. Welche Straßen führen uns so nah wie möglich am Strom entlang, wo liegen reizvolle Zwischenstopps, und wo kann man sich nach einer ereignisreichen Etappe am Abend ausruhen?

Fragen, die vorher mit digitaler Hilfe geklärt werden können. Google Maps hilft uns bei der Streckenrecherche, schränkt aber auch durch die begrenzte Zahl an einfügbaren Zwischenstationen sehr ein. Gut, dass Straßen sich auch immer an Wasserrouten orientiert haben. Diese Tatsache hilft ungemein bei der Planung. Hälftig aufgeteilt ergaben sich zwei Touren zu je 130 Kilometern. Also knapp 300 Kilometer, die helfen sollen abzuschalten und Alltagsbelastungen zu verarbeiten. Anders als auf der Autobahn seinem Ziel entgegenzufahren, haben wir unser Ziel ständig vor Augen. Wir sind gespannt, was die Natur und das vom Mensch geschaffene rund um diesen Fluss zu bieten hat.

 ©Bernd Bohle

Die Morgensonne blinzelt an diesem Pfingstsamstag durch unser Schlafzimmerfenster, als wenn sie uns sanft zum Aufbruch leiten möchte. Wir lassen es langsam angehen, denn warum jetzt hetzen wenn man sich in Kürze erholen will? Der Bulli ist am Vortag bereits beladen worden. Jetzt nur noch Proviant in die Kühlboxen, den Dackel in seine Hundebox und die Piloten auf ihre Isri-Sitze. Der 1,6 Liter JX Motor startet einwandfrei und bläst eine blaue Wolke als Startsignal in den Frühsommer-Morgen.

Zurück zum Ursprung

Wir wollen der Werra vom Ende bis zum Ursprung folgen und rollen zum Startpunkt nach Hannoversch-Münden. In der 24.000 Einwohner-Stadt befindet sich der Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser. An diesem markanten Punkt der „Drei-Flüsse-Stadt“ beginnt unsere Tour. Der Weserstein soll Ausgangspunkt für unseren Roadtrip sein. Die Werra ist der östliche und rechte der beiden Hauptquellflüsse der Weser und mit einem Lauf von 299,6 km auch der längere, denn die westliche und linke Fulda ist nur 220,7 km lang. Sie fließt in Thüringen, Hessen und Niedersachsen. Ein Länder-Hopping, dass bestimmt viel Dialektik und viel Historie zu bieten hat. Noch im ersten Jahrtausend n. Chr. wurden Werra und Weser namentlich nicht unterschieden und die Werra wurde als „eigentlicher“ Quellfluss der Weser angesehen.

Vom Teufel und dem Eingang zur Hölle

So starten und folgem wir unserem Leitfluss stadtauswärts unter monumentalen Brücken hindurch in Richtung Nordhessen. Der Flusswirkt ruhig, natürlich und fließt uns mit einer Breite von etwa 5 Metern schimmernd entgegen. Kaum gestartet, ziehen sich die blauen Stellen am Himmel immer dunkler zu. Laut Wetter-App können wir unsere ersten Stationen jedoch regenfrei genießen.

Mächtige Sandsteinbrocken säumen den Weg zur Kanzel.

 ©Bernd Bohle

Wir passieren Witzenhausen und lassen Lindewerra rechts liegen. Der erste Halt nach nur 35 Kilometern ist die Burg Hanstein, der Startpunkt für eine 2,2 km Wanderung zur Teufelskanzel – ein auf etwa 452 m ü. NHN gelegener Buntsandsteinfelsblock mit einem wunderbaren Blick auf die Werraschleife bei Lindewerra . Dieser Kurvenlauf des Flusses hängt der Sage nach eng mit dem Entstehen der Teufelskanzel zusammen. Der Volksmund erzählt, dass der Teufel einst eine Wette gegen die Brockenhexen verlor. Er sollte den Felsbrocken auf dem er stand zum Hohen Meißner (ein Bergmassiv im Fulda-Werra-Bergland mit bis zu 753,6 m ü. NHN) tragen. Prahlerisch wie der Teufel nun mal ist, willigte er ein und machte kurz vor dem Ziel an der heutigen Teufelskanzel schlapp. Vor Scham und Wut stampfte der Höllenfürst so fest mit seinem Huf auf den Boden, dass der Abruck noch heute in Form des Schleifenverlaufs der Werra sichtbar ist.

Märchenhaft auch die Wanderung selbst zu diesem Aussichtspunkt durch einen dichten Buchenwald mit urigen Fels- und Wurzelformationen. Lediglich die Angst, Charly könne in seinem Übermut die Felswände ohne Wiederkehr hinunterrutschen, lenkt ein wenig von der Magie dieses Ortes ab. Am Schauplatz der Sage angekommen, entlohnt uns der weitläufige Blick in das Werratal. Die noch leicht gelben Rapsfelder, der glitzernde Fluss und das im leichten Nebel liegende nordhessische Bergland lassen unsere Akkus etliche Prozentpunkte runterfahren. Ich liebe es dem Strom auf einer Ebene zu folgen, aber ich liebe es auch den Verlauf von weit oben herab auf mich wirken zu lassen. Bilder die bleiben und diese Tour schon jetzt lohnenswert machen.

Auch Dackel Charly ist auf Entdeckertour.

 ©Bernd Bohle

Bad Sooden-Allendorf hinter uns, vorbei am Bergmassiv Hoher Meißner und Schloss Rothestein, fahren wir in Eschwege ein. Bei den sogenannten Dietemännern wie die Eschweger sich selbst bezeichnen findet alljährlich das Open-Flair-Festival direkt an der Werra und am Werratalsee statt. Wunderbarer kann ein Freiluft-Musikevent nicht in die Stadt und die Natur eingebettet sein. Aber auch geologisch hat die Kreistadt einiges zu bieten.

Ein Muss auf unserer Route ist die sogenannte Blaue Kuppe. Der Schlot eines seit geraumer Zeit (10 bis 12 Mio. Jahre) erkalteten Vulkans, der sogar schon die Aufmerksamkeit Alexander von Humboldts erregt hat. Der Steinbruchbetrieb wurde hier um 1930 eingestellt und das Basalttürme der Blauen Kuppe stehen nun schon seit einigen Jahren unter Naturschutz. Charlie freut der erneute Aufstieg und der drei Kilometer lange Rundweg. Wir sind hier oben vollkommen allein und können uns des Vergleichs zu Jurassic Park nicht verwehren. Wir eine Welt der Kreidezeit ragen hier die bewachsenen Felsen des Vulkans nach oben. Lediglich ein Falke der sein Nest dort oben zu haben scheint tangiert die Stille mit seinem schnellen Flügelschlag. Absolute Ruhe und genau das wonach wir gesucht haben. Der Weg hinunter ist rutschig und verlangt uns Turnschuhträgern einiges an Balance ab.

Rast auf historischem Grund: Die Gaststätte zur Schlagd.

 ©Bernd Bohle

Zeugen der Vergangenheit

Der Wolkenbehang verdichtet sich als wir Bruno wieder in Gang setzen. Nebelschwaden steigen aus den dichten Wäldern vor uns empor. Im Volksmund sagt man zu diesem altbekannten Naturphänomen „Die Füchse kochen Kaffee“. Mit Lust auf eben dieses Getränk winden wir uns Richtung Wanfried. Die Gaststätte zur Schlagd im historischen Wanfrieder Hafen, welcher einst Endpunkt der Weser-Werra-Schifffahrt und bedeutender Umschlagplatz für Waren von und nach Südosteuropa war, hält für uns eine erneute Rast und jede Menge wissen parat. Der Name Schlagd kommt von slagte für das Einschlagen von Uferpfählen, die mit Balken und Faschinenflechtwerk miteinander verbunden wurden und dadurch für die Uferbefestigung sorgten. Die Bezeichnung stammt aus dem Niederdeutschen und ist in anderer Form, wie im ursprünglicheren Schlacht, für ähnliche Uferbereiche im gesamten norddeutschen Raum verbreitet.

Die Schlagd wurde nach dem Ort Wanfried benannt, da die Werra von Münden bis zu diesem etwa 70 Flusskilometer flussaufwärts gelegenen Ort für damalige Schiffe schiffbar war.Schon recht früh begann der Warenhandel auf der Werra, belegt ist er seit Anfang des 12. Jahrhunderts. Mühlhausen war in dieser Zeit bereits eine bedeutende Handelsmetropole. 1.400 Kaufleute reisten jährlich zur Frankfurter Messe. Da Mühlhausen keinen eigenen Hafen besaß, ließen die Mühlhäuser die Ware seinerzeit über die Weser und Werra nach Wanfried kommen bzw. versandten ihre Ware von Wanfried aus nach Übersee. Von hier aus wurde die Ware mit Pferdewagen ca. 20 km nach Mühlhausen transportiert. Es entwickelte sich ein reger Handelsverkehr, der Wanfried allmählich anwachsen und an Bedeutung gewinnen ließ. Noch heute erinnert der Nachbau eines alten Handelsschiffs, die „Wisera“ an die fetten Jahre. Ein kalorienreicher Kuchen in der urigen Gaststätte passt perfekt zum Thema und reicht genau um den Regenschauer und die zuckenden Blitze da draußen zu überbrücken.

On the Road again überfahren wir zum ersten aber nicht zum letzten mal die Landesgrenze zu Thüringen. Die Werra war in Teilen natürliche Grenze von BRD und DDR. Die Hinweisschilder zur Grenzöffnung und Teilung Deutschlands sollten uns ab hier setig wie in einem Flug entlang der Zeitzonen verfolgen. „Wie spät war es denn hier, als die Grenze öffnete?“ hieß ab jetzt die Frage, wenn wieder ein solches Schild zu sehen war. Der Running-Gag der Tour!

Die Ebenauer Köpfe.

 ©Bernd Bohle

Der Regen hält Einzug und vermiest uns ein wenig den Blick auf den Heldrastein. Der Heldrastein ist ein 503,8 m ü. NHN hoher Berg südwestlich von Treffurt in Thüringen nahe der Grenze zu Hessen. Nach Norden bricht der Heldrastein mit markanter Felswand zum Werratal ab. Dort liegt jenseits des Flusses das namensgebende nordhessische Dorf Heldra.

Wir wollen mehr Steine und bekommen sie auch. Kurz nach Creuzburg hat die Verwitterung der Jahrhunderte harte Kalksteinbänke freigelegt, die sogenannten Ebenauer-Köpfe. Eine beeindruckende Canyon-Landschaft aus Muschelkalk, die wir optimal von einer Werratal-Radweg-Brücke aus bewundern können. Echte Naturschönheiten einfach mal eben so am Straßenrand im Durchbruchstal der Werra.

 ©Bernd Bohle

Die Stunden vergehen wie im Flug und das obwohl und Bruno nur mit maximal 90 km/h über die Straßen trägt. Wir nähern uns Eisenach und unserer letzten Station für diesen ersten entdeckungsreichen Tag. Wir wollen erneut einen Fußmarsch wagen und die Burruine der Brandenburg besteigen. Sie liegt auf 274,6 m ü. NN im mittleren Werratal, etwa zwei Kilometer östlich des Dorfes Lauchröden, direkt gegenüber der hessischen Gemeinde Herleshausen.Der Blick auf den „Klodeckel-Verkauf“ der Werra soll von hier oben einmalig sein.

Die letzten Reserven mobilisiert wagen wir den Aufstieg und werden auch hier nicht enttäuscht. Wieder ganz allein auf dem gesamtem Areal der Brandenburg genießen wir den Blick hinab in das Tal auf die Mäander der Werra. Die Grenze zwischen Hessen und Thüringen verläuft bis heute knapp unter der Burg, entlang der Werra – genauer: Die Mitte des Flusses markierte die Grenze zwischen Ost und West. Die Schleifen der Werra wurden jährlich im Mai von einem handverlesenen Trupp von LPG-Bauern, die von einem Doppelposten der Grenzer bewacht wurden, gemäht. Heute herrscht hier Ruhe und der einstige eiserne Vorhang ist jetzt nur noch Fluss.

 ©Bernd Bohle

Die idyllische Verkehrsinsel

Einer an dem wir heute übernachten wollen. Ein kleiner Campingplatz in Hörschel (Beginn des legendären Rennsteigs) nur wenige Kilometer entfernt soll Nachtquartier werden.

Ich hatte im Vorfeld schon über Ecken mit Hubert dem Besitzer des Grundstücks telefoniert. Der Platz wird auch vom ortsansässigen Kanutenverein genutzt und ist Ausgangspunkt für Anhänger dieses Sports aus dem gesamten Bundesgebiet. Klingt riesig ist aber sehr klein und wohl ein echter Insider-Tip. Wir treffen lediglich auf Dieter der sich hier aus Mühlheim an der Ruhr wohl eher zufällig für zwei Tage niedergelassen hat. Mit leichter Bierfahne erzählt er mir, dass er nach Hannoversch-Münden von hier aus mit dem Kanu gefahren sei. Er fühle sich im Bauche seine Wohnwagens „Villa Olga“ zwar wohl aber länger müsse er hier auch nicht bleiben. Wir besetzen tatsächlich mit unserem Bulli den einzigen Platz direkt an der Werra und merken schnell was Dieter meint. Neben dem Fluss erheben sich Schicht für Schicht noch Feldweg, Bundesstrasse, Bahntrasse, und Autobahn. Ein echtes Verkehrsnadelöhr aber dennoch dank Pfingsten nur mit mäßiger Lärmbelästigung. Dennoch überwiegt die Romantik dieses Ortes, weil „noch näher an der Werra, wäre in der Werra!“ meint Bine!

 ©Bernd Bohle

Die Enten ziehen ihre Kreise, Kanus an uns vorbei und das Wasser verfehlt seine beruhigende Wirkung nicht. Wir sind da, an unserem Fluss und genießen bei Krakauer und gegrillten Ananas-Scheiben den ersten Abend unseres Road-Trips. Im Bulli selbst ist es richtig kuschelig, lediglich die Jagd nach den blutsaugenden Werra-Mücken im Innenraum hält uns anfänglich vom Schlaf ab. Als der Regen einsetzt lauschen wir diesem und ich muss an meine verstorbene Schwester denken, die als wir noch klein waren und ich bei diesem Geräusch nicht schlafen konnte sagte: „Stell dir vor das wäre nicht der Regen sondern das Knistern eines Kaminfeuers vor dem Du liegst!“. Diese Worte im Ohr lassen mich dann auch wirklich einschlafen.

Bis bald! Demnächst folgt hier Teil 2 der Reise. Wer mehr von mir lesen will, kann dies auf der Seite meines Blogs "Freier miT 3er tun.

Viele Grüße, Bernd "Bernie" Bohle

Bernd Bohle

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