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Plötzlich kam von hinten ein bunter Bulli - Verkehrsgerichtstag 2021

Warum der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags in einer Autobahnbaustelle wie wild hupte und gestikulierte…

Locker und gut drauf: Prof. Dr. Ansgar Staudinger (mit Sportschuhen) und Goslar-OB Dr. Oliver Junk ohne die übliche Amtskette.

 ©VGT

Eigentlich sollte Dr. Ansgar Staudinger am vergangenen Freitag (29.1.) in der ehrwürdigen Kaiserpfalz zu Goslar vor rund 600 fast handverlesenen Gästen als Präsident den 59. Deutschen Verkehrsgerichtstag feierlich eröffnen. Doch wegen der Corona-Pandemie hatte der Verein die Chance digitaler Formate genutzt und einen erstaunlich gut funktionierenden Online-Kongress organisiert. Entsprechend locker zeigte sich denn auch der Professor in seiner Eingangsrede. Man habe aus der Not eine Tugend gemacht und wie im § 128 a der Zivilprozessordnung die Möglichkeit genutzt, einzelnen Beteiligten die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Video zu ermöglichen.

Statt der üblichen 600 Zuhörer konnte, wer wollte, die Direktübertragung aus dem Kaisersaal auf der Webseite des Vereins verfolgen. Ihm mache es nichts aus, scherzte Staudinger, seit 2003 Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht, internationales Privat-, Verfahrens- und Wirtsschaftsrecht an der Universität Bielefeld, vor leeren Stuhlreihen zu reden. Das sei an einem Freitagmorgen zu solcher Stunde an der Uni auch schon mal vorgekommen...

Prof. Dr. Ansgar Staudinger - der frische Wind im Verkehrsgerichtstag.

 ©VGT

Wofür steht GS ?

Am Ende seiner frei gehaltenen Ausführungen gab er noch eine köstliche Anekdote zum Besten: Als er mit Frau und vier Kindern im Herbst endlich Urlaub machen konnte, fuhren sie „an meinen alten Studienort Freiburg“. Die Kinder sollten Autokennzeichen erkennen doch keines wusste, wofür GS stand. „Da schob sich mitten in einer Baustelle von hinten ein gepimpter Bulli an uns vorbei, zweifarbig lackiert. Drin saß die Familie Dr. Junk. Aber die schauten nicht zu uns rüber. Wir winkten, ich hupte wie wild – endlich erkannten sie uns und wir fuhren alle an der nächsten Ausfahrt raus in die Weinberge…“

So ein Zufall - der Goslarer Oberbürgermeister, der wie üblich ein Grußwort an die Versammlung richtete, im Bulli mit Hänger auch unterwegs in den Süden… Der dankte dann auch „meinem lieben Präsidenten“, dass der Verkehrsgerichtstag nicht einfach gestrichen wurde, denn Goslar und diese Institution gehörten auch in Zukunft zusammen.

Gute Idee - aber coronabedingt abgesagt

 ©Screenshot

Zum Ende zog Staudinger eine positive Bilanz: „Auch wenn wir in diesem Jahr nicht wie üblich in acht Arbeitskreisen diskutieren und Empfehlungen aussprechen konnten, sind die angebotenen Fachvorträge der Vorstandskollegen auf großes Interesse getroffen“. Für diese hatten sich jeweils fast 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet. Zur Eröffnungsveranstaltung, die aus der Kaiserpfalz in Goslar live übertragen wurde, war auch der Chefberater der EU-Kommission, Paul Nemitz, aus Brüssel zugeschaltet, der über das Thema „Künstliche Intelligenz in Justiz und Mobilität“ referierte und dabei auch einen Blick in die Zukunft des autonomen Fahrens warf. Deutlich ermahnte er die Hersteller der Oberklasseautos den Datenschutz sehr ernst zu nehmen.

Wenn Anwälte weniger klagen können

Der Groß-Gerauer Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Nicolas Eilers, schilderte die gravierenden Folgen der Pandemie für die Justiz. Unzählige Gerichtsverfahren wurden verzögert, weil Gerichtstermine nicht oder nur unter extremen Schwierigkeiten stattfinden können. Leider seien sehr viele Gerichte technisch nicht in der Lage, entsprechende Videokonferenzen durchzuführen. Der Zugang zum Recht dürfe durch die Pandemielage und die dadurch bestehenden Probleme, soweit sie lösbar sind, nicht beeinträchtigt werden. Hier bestehe die große Chance, schnellstmöglich und kompetent die Digitalisierung auch in der Justiz zu beschleunigen, da dann, wenn per Video an einer Verhandlung teilgenommen werden kann, nicht nur risikoträchtige Kontakte zwischen den Personen unterbleiben, sondern im Ergebnis auch durch den Wegfall von Autofahrten und die dadurch resultierende Entlastung der Umwelt ein weiterer, zeitgemäßer und relevanter Nebeneffekt eintreten könne.

Die teilweise drastische Reduzierung des Straßenverkehrs sei eine der täglich sichtbaren und gravierendsten Auswirkungen der Corona-Epidemie. Gerade im Zuge des ersten Lockdowns sei der private Verkehr massiv eingebrochen. Die Folgen für diejenigen, die im Verkehrsrecht tätig sind bzw. im Zusammenhang mit der Unfallregulierung beruflich tätig sind, liege auf der Hand. Weniger Verkehr bedeute weniger Unfälle, weniger Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Verkehr. Dies führe naturgemäß bei den betroffenen Berufsgruppen wie Rechtsanwälten, Sachverständigen und Werkstätten zu gravierenden finanziellen Einbußen. "Auf der anderen Seite sind durch die Corona-Epidemie die Auslagen in den einzelnen Branchen auch gestiegen." Namentlich Desinfektionsmaßnahmen müssen getroffen werden. Ob und in welchem Umfang entsprechende Kosten als erforderliche Kosten der Schadenbeseitigung bei der Unfallregulierung anzusehen sind, sei gegenwärtig Gegenstand diverser gerichtlicher Auseinandersetzungen.

von Ernst Bauer