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Reportage: Kirchzarten 2018 - Ein Team gibt Vollgas

Gemeinsam kann Großes gelingen: Peer Millauer war hinter und vor den Kulissen dabei beim 15. Internationalen VW-Bus-Treffen in Kirchzarten und berichtet in dieser Reportage über Teamgeist und Teamarbeit beim VW-Bus-Team-Baden.

 ©Peer Millauer

Im Schein des Feuers vor dem Camper tanzen dunkle Gestalten. Laute Musik dröhnt aus den Boxen. Leer gegessene Pappteller und Bierflaschen liegen herum. Axel nähert sich aus der Dunkelheit und dreht entschlossen den Lautstärkeregler herunter. Die Tänzer erstarren in der Bewegung. „Musik aus, Feuer aus, es ist Nachtruhe!“

Axels Auftreten erstickt jeden Widerspruch im Keim: Eindrucksvolle Gestalt, dunkler Vollbart, deutliche Körpersprache. Die Typen am Feuer murmeln noch was von „Schon?“ und „Schade!“, verziehen sich dann aber in die umstehenden VW-Busse. Axel zieht die brennenden Holzscheite auseinander bis nur noch Glut übrigbleibt. Es ist kurz nach Mitternacht. Seine Nachtschicht hat gerade begonnen. Seine Aufgabe: Für Ruhe zu sorgen. Und für Sicherheit.

Die Besucher des 15. Internationalen VW-Bus-Treffens in Kirchzarten vertrauen darauf, dass auch diesmal wieder alles perfekt organisiert ist. Von ihm und seinen Leuten vom VW-Bus-Team-Baden.

Donnerstag ist Vorbereitungstag. Das Team reist mit eigenen Bussen an, in den Anhängern die Ausrüstung: Zelte, Lebensmittel, Grills, Tische und Bänke. Alles muss aufgestellt werden für die Versorgung der Besucher. Sogar eine echte mongolische Jurte ist darunter. Fünf Meter hoch und zwölf Meter im Durchmesser. Der Fachmann dafür ist Axel. Als Späher und Ausbilder beim Christlichen Bund Deutscher Pfadfinder macht er dies nicht zum ersten Mal.

 ©Mirco Meier

Auch hier ist Teamarbeit gefragt. Beim Ausbreiten der Zeltplane, dem Aufstellen der Pfosten, dem Einschlagen der Heringe, beim Abspannen mit Seilen. Axel teilt die Leute ein. Kurz und präzise kommen seine Anweisungen. Das Team funktioniert perfekt. Die Jurte steht in weniger als einer Stunde.

Das Team: Eine Gemeinschaft von VW-Bus-Verrückten. Eine bunte Palette unterschiedlichster Typen, die eines gemeinsam haben: Sie fahren einen VW- Bus, dieses legendäre, fast schon historische Nutzfahrzeug von Volkswagen, das mittlerweile in der sechsten Generation gebaut wird. Kein anderes vergleichbares Fahrzeug auf der Welt wurde in so großer Stückzahl (über 10 Millionen) und über einen so langen Zeitraum (68 Jahre) gebaut. Und kein anderes Fahrzeug hat eine so riesige Fangemeinschaft. Offiziell wird bei Volkswagen von 16 VW-Bus-Clubs gesprochen1, bei einer Google-Suche erhält man dreimal so viele Treffer.

Ralf Breithaupt ist 53 Jahre alt und Heizungstechniker von Beruf. Er ist der Chef des Teams, der „Macher“. Bei ihm laufen alle Drähte zusammen, mit ihm steht und fällt die Organisation. Immer wuselig, immer „in Action“ - und immer mit einem Lächeln im Gesicht. Es gibt keinen „Vorstand“ und keine offizielle Rollenverteilung im Team, weil sie bewusst auf Statuten verzichtet haben. Das Team ist kein eingetragener Verein.

„Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Zu viel Reglementierung schreckt viele ab, mitzumachen.“ stellt Ralf fest. Es liefe auch so, mal mache der eine was, dann wieder ein anderer. Und dann zitiert er Loriot, in leicht veränderter Form: „Ein Leben ohne Bus ist zwar möglich, aber sinnlos!“

 ©Peer Millauer

Ralf fährt einen orangefarbenen T3 Syncro 4x4 mit Wohnkabine. Sein Syncro ist ein VW-Bus Modell T3 mit Vierradantrieb, einer Wohnkabine und 100 oder mehr PS unter der Haube. Es scheint so, dass Syncros das bevorzugte Modell des Teams sind. Mindestens vier stehen in unmittelbarer Nähe des Jurtezeltes.

Joachim ist mit 28 das jüngste Teammitglied der Truppe. Auch er fährt einen Syncro. Er hat ihn selbst ausgebaut in besonders stabiler Ausführung und mit Fußbodenheizung. „Damit kann man dann schon mal durch die Sahara oder nach Australien reisen,“ fügt aber an: „...irgendwann, wenn ich mal Zeit dazu habe!“

Doch Zeit ist gerade knapp, denn es gilt, für die morgen anreisenden Besucher alles vorzubereiten. Erwartet werden 400 Busse mit rund 1500 Teilnehmern, die alle begrüßt, eingecheckt und mit den nötigen Utensilien versorgt werden müssen. Dafür hat Ralf extra 500 Beutel anfertigen und mit Logos bedrucken lassen und jeden mit Essensgutscheinen, Prospektmaterial, Platzinfos und Gummibärchen bestückt. Die Gummibärchen als Stimmungsmacher. Die Beutel werden den Bussen beim Empfang ausgehändigt – kostenlos natürlich.

Hinweisschilder müssen aufgestellt werden, die Zelte werden mit Bierbänken versehen, Getränke, Steaks und Würstchen in angelieferte Kühlschränke verstaut. Jeder weiß, was zu tun ist, was auch schon die Jahre zuvor zu tun war. Am Abend ist alles vorbereitet. Das Team trifft sich in der Jurte. Die Stimmung ist gut. Ralf schaut in die Runde. 25 erwartungsvolle Blicke richten sich im Schein des Feuers auf ihn. „Gute Arbeit, Leute, es kann losgehen. Ihr wisst, was uns morgen erwartet. Gibt es noch Fragen?“

Keine Fragen. Es wird noch das ein oder andere Bier getrunken, dann verziehen sich die Leute in ihre Camper. Es wird die ruhigste der nächsten drei Nächte sein.

 ©Peer Millauer

Ab Freitag Morgen erhöhen sich allmählich die Drehzahlen des Teammotors, bis Samstagnachmittag werden sie im roten Bereich angekommen sein. Ab acht Uhr treffen an der Rezeption die ersten VW-Busse ein. Alle Modelle und alle Variationen sind dabei, vom top restaurierten T1 bis zum leicht gammligen Hippiemodell T3, schöne „echte“ Bullis des Modells T2 (nur diese und der T1 werden so genannt), aber auch ultramoderne Karossen aus den neueren Serien T4 – T6. Weit Hergereiste aus Belgien, Frankreich und der Schweiz, viele auch aus der Region.

Die Schlange am Eingang wird länger. Axel und Volker sind heute vormittag am Empfang tätig. Volker ist ehemaliger Polizist und in seinem Element. Er begrüßt die Ankommenden, informiert über das Einchecken, gibt Tipps für die Stellplätze. Es gibt Busse, die sind schon zum zehnten Mal oder sogar öfter dabei. Dann gibt es ein großes Hallo für die Veteranen. Den Neuankömmlingen zeigt er den Weg zur Rezeption. Dort sitzen zwei weitere Teammitglieder und regeln das Finanzielle. Die Bezahlung der Stellplätze wird ausschließlich über das Team abgerechnet. Die Abrechnung erfolgt am Sonntag – ein spezieller Job für Ralf.

Ein weiteres Teamtrio nimmt die Gäste an der Zufahrt zu den Stellplätzen in Empfang, überreicht den Begrüßungbeutel und weist den Platz zu. Jeder Bus wird per Fahrradlotsen zu seinem Stellplatz geführt. Dabei werden möglichst alle Wünsche berücksichtigt hinsichtlich Raum und Nachbarschaft.

Gegen Abend füllt sich der Platz. Vorzelte werden aufgeschlagen, Grills aufgestellt, Wagenburgen gebildet. Im Kaffeezelt schenken die Frauen des Teams Kaffee und selbstgebackenen Kuchen aus. Gratis. Ein kleiner Porzellanbulli wartet, nicht umsonst, auf Spenden. Im Gastrozelt stehen Beate und Freddy hinter der Theke und grillen Würstchen, so, wie sie es schon seit 15 Jahren tun. Sie sind Teammitglieder der ersten Stunde und gehen auf die Siebzig zu. „Aber es macht halt immer noch Spaß,“ pfälzert Beate, „au wenn mir die Bei weh tun.“ Für Freddy, zuständig für die Currywürste, ist es der Zusammenhalt im Team, was ihn antreibt. Er ist stolz, in seinem Alter noch mit von der Partie zu sein.

 ©Peer Millauer

Zwischen Empfang, Einweisung und Gastrozelt hin und her flitzt Ralf mit seinem orangefarbenen Mountainbike und guckt nach dem Rechten. Er sorgt für die rechtzeitige Ablöse, besorgt Kleingeld für die Wursttheke, organisiert Heringe für das Vorzelt, erklärt den Weg zum Supermarkt – und ab und zu kommt er auch zu einem kleinen Plausch über Technik, Reifen und Motor. Sein Lächeln unter den wachen blauen Augen bleibt, auch in Momenten der Anspannung.

Ob er sich das so vorgestellt hätte, als er vor 20 Jahren das VW-Bus- Team-Baden aus der Taufe hob? Nein, natürlich nicht, alles sei aus einer kleinen Gruppe von VW-Bus-Liebhabern hervorgegangen, er erinnert sich an das erste, fast private Treffen im Schwarzwald. Dann habe sich das herumgesprochen und nun sei man bei einer Größe angelangt, die fast den Rahmen sprenge. „Es gibt keine vergleichbare Veranstaltung hier im Südwesten. Das Einzugsgebiet ist groß und deshalb kommen so viele,“ erläutert er, „und die Qualität unserer Orga hat sich halt rumgesprochen.“ Stolz ist aus seinen Worten herauszuhören. Die Teilnehmer kommen gerne wieder, weil sie wissen, hier passt alles, vom Empfang über die Platzqualität bis hin zur Versorgung.

„Die Leute vom Team sind echt klasse! Toller Service und prima Atmosphäre!“ sagt ein Besucher aus der Schweiz. Deshalb nehme er auch den längeren Anfahrtsweg in Kauf. Es lohne sich. Und was das Wetter beträfe, so hätte das Team wohl eine Absprache mit Petrus: Immer Sonne!

Als die Nacht herein bricht, legt sich eine romantische Lagerfeuerstimmung über den Platz. Überall werden Grills entfacht oder Holz in Feuerschalen entzündet. Steakduft steigt in die Nase und mischt sich mit dem Heugeruch der nahegelegenen Wiesen. Gruppen bilden sich, sitzen zusammen am Feuer, erzählen Bulligeschichten und hier und da erklingt leise eine Gitarre.

 ©Peer Millauer

Axel hat gewechselt vom Empfang zur Platzzuteilung. Die Ablöse erfolgt spontan und ohne Absprache. Das ist Teamgeist und spiegelt die Freude an der gemeinsamem Aufgabe wider. Er radelt einem 82er T3 Westfalia Camper voran bis zu dessen Platz. „Strom?“ fragt der Fahrer. „Dieses Jahr gibt es den leider nicht,“ antwortet Axel. Zu viele Sicherungen seien letztes Jahr rausgeflogen, als viele in der kühlen Aprilnacht ihre Heizlüfter angeworfen hätten. Eine Vorgabe des Campingplatzbesitzers, die sie einhalten müssten.

Doch dieser scheinbare Mangel wandelt sich ins Gegenteil. Die Atmosphäre gewinnt eher, man rutscht enger zusammen am Feuer, es gibt weniger künstliche Lichter, das Mehr an Dunkel wirkt eher anheimelnd als unheimlich. Gegen 20 Uhr radelt Axel zurück zu seinem Syncro. Er will sich zwei Stunden Schlaf gönnen, denn um Mitternacht heißt es dann Streife gehen, Feuer löschen, Musik runterfahren, Leute zur Ruhe bringen – Nachtwache, vielleicht der unbeliebteste Job im Team. „Einer muss es ja machen.“ Einer für alle? „Nee, der Joachim geht ja mit mir, wir treten immer im Team auf.“

Samstag Morgen, sieben Uhr. Ein strahlender Sonnenaufgang über dem Schwarzwald, Tautropfen glitzern auf Scheiben und Zeltplanen. Verschlafene Hundebesitzer führen ihre Vierbeiner Gassi. Ab und zu erklingt das für VW Bus-Fahrer so vertraute Geräusch der Schiebetür. Irgendwoher wabert der Duft von frischen Brötchen durch das Buslager. Im Kaffeezelt sind Petra, Ralfs Frau, und Anette schon zugange. Der Bäcker hat die bestellten Brötchen angeliefert, die nun von den beiden in Tüten verpackt werden. Auch dies gehört zum Teamservice: Frische Brötchen auf Bestellung. „Das hebt doch gleich die Laune!“ lacht Petra und beißt herzhaft zu.

Der Samstag ist der anstrengendste Tag. Gegen Abend wird die 400er-Marke geknackt: Ein VW-Bus aus dem Schwäbischen. Für die Kinder werden Wettkämpfe angeboten: Ein Bobbycarrennen, ein Reifenparcours und das „Schwarzwälder Kuhmelken“ mit anschließender Siegerehrung. Wer will, der kann von sich und seiner Familie Schnappschüsse erstellen lassen an der Fotowand, einer Frontansicht von einem T1, von Mirco, dem Teamfotografen, liebevoll selbst gebastelt.

 ©Peer Millauer

Das Einchecken der letzten Tagesgäste dauert bis weit in den Abend. Das Teamtreffen in der Jurte danach währt allerdings nur kurz, denn den meisten fallen schlichtweg die Augen zu.

Sonntag ist Aufbruchstag. Ein Großteil der angereisten Bullifans brechen gegen Mittag ihre Zelte ab und machen sich auf die Heimreise. Auch für das VW-Bus-Team geht das Treffen heute zu Ende und das bedeutet nochmal vollen Einsatz beim Abbau. Ralf ist heute nicht zu sehen, er sitzt im Büro der Campingplatzleitung und macht die Abrechnung. Das macht er nicht gerne, aber es muss sein. Die Leitung erwartet eine genaue Auflistung und Abrechnung aller Beteiligten.

Wie schon beim Aufbau der Zelte, übernimmt Axel auch beim Abbau die Leitung des Geschehens. Er kennt die Hebel und Kniffe, wie die großen Stahlträger zusammengelegt werden, er weiß, wie die Planen gefaltet werden müssen, er sorgt für das richtige Zusammenlegen der Seile. Auch hier bringen sich alle mit ein. Der Abbau des Jurtenzeltes ist ein Paradebeispiel für harmonisch ineinandergreifendes Teamarbeit.

„Ihr seid eine tolle Truppe!“ Axel spart nicht mit Lob. Seine Kameraden danken es ihm mit einem Lächeln. Dann schnappt er sich eine Schubkarre. Mit dieser sammelt er die Glut- und Aschereste der Grillstellen ein. Für diesen Extraservice erntet er ab und zu ungläubiges Kopfschütteln, meistens jedoch anerkennendes Schulterklopfen – Axel nimmt es gelassen, aber wer ihn ein wenig kennt, weiß, dass auch dieser Aufräumdienst ein Teil des großen Ganzen für ihn bedeutet, und dies ist nur dann vollständig, wenn alle Teile passen. Er ist kein Mann für halbe Sachen.

 ©Peer Millauer

Sonntagnachmittag. Die letzten Besucher verlassen winkend und hupend das Gelände. Auch die Busse des Teams sind abreisefertig. Wie üblich versammelt sich das Team um Ralf und Axel zum gemeinsamen Essen und zur Abschlussbesprechung im Restaurant des Campingplatzes.

Tobias ist für Statistik zuständig und referiert Zahlen: 444 Busse, ca. 1400 Gäste, 1678 Brötchen, 22 Liter Milch für den Kaffee, 722 Übernachtungen, 400 Euro in der Kaffeekasse. Die Abrechnung mit dem Campingplatz verlief ohne Probleme, der Besitzer ist sehr zufrieden.

Ralf hält eine Schlussansprache vor dem Auseinandergehen. Er dankt allen Beteiligten. Er vergleicht das Team mit einer Seilschaft, die einen Gipfel besteigen will. Auf dem Weg dorthin habe jeder seine Aufgabe zu erfüllen und seine Verantwortung zu tragen. Und wenn es dann alle geschafft haben und oben stehen, erführen sie dieses Glücksgefühl, etwas gemeinsam geschafft zu haben. Das schweiße zusammen und schaffe Vertrauen in sich und das Team.

 ©Peer Millauer

Und dann, ganz plötzlich, lächelt Ralf zum ersten Mal an diesem Wochenende nicht mehr. „Im nächsten Jahr muss die Leitung der Orga ein anderer von euch übernehmen. Ich kann das aus beruflichen und familiären Gründen nicht mehr machen.“

Für einen Moment ist es ganz still. Die Worte zeigen Wirkung. Ralf fährt fort: „Aber ich bin sicher, dass ihr das auch ohne mich schafft, unser
Team ist stark genug!“ Zustimmendes Gemurmel, dann vereinzeltes Klatschen und schließlich Applaus. Axel meldet sich. „No problem, Ralf, das läuft! Wir kriegen das hin.“

Es ist alles gesagt. Man drückt sich die Hand. „Nicht vergessen, nächsten Monat ist wieder Stammtisch!“ ruft Ralf noch in die Runde. Dann geht jeder zu seinem VW-Bus und macht sich auf die Heimreise. Morgen ist ein neuer Arbeitstag.

Auch Axel klettert in seinen blauen Syncro. Er muss noch den Hänger mit dem Zelt beim Technischen Hilfswerk abliefern. Danach hat er heute noch einen Auftritt mit dem Musikverein in seiner Heimatgemeinde. Als Saxophonist.

Peer Millauer

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