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Sofie: Nach 65 Jahren wieder daheim

Es ist kalt in Kopenhagen, kalt und regnerisch. Dennoch verlassen immer mehr Menschen die Niederlassung des dänischen VW-Importeuers. Sie wollen eine ältere Dame sehen. Eine, die vielen jungen Mädchen die Schau stiehlt. Ihr Name: Sofie. Die Rede ist nicht von „Miss Sophie“, die alljährlich an Silvester beim „Dinner for one“ ihren 90. Geburtstag gemeinsam mit ihrem Butler James vor Millionen deutscher Fernsehzuschauer feiert. Nein, diese Sofie ist etwas jünger, gerade einmal 65 Jahre alt. Sofie ist auch nicht zweibeinig, sondern vierrädrig. Sofie ist ein VW T1 Kastenwagen aus dem Jahre 1950, in Taubenblau – und mit besonderer Geschichte.

 ©Volkswagen

Im Dezember vergangenen Jahres holen Oldtimer-Experten von Volkswagen Sofie aus Dänemark nach Deutschland und nach Jahrzehnten zurück Die Mitarbeiter des dänischen VW-Importeurs, bei denen Sofie zur Abholung bereitsteht, sind ganz begeistert und bekannten freimütig, dass auch sie nicht jeden Tag „so ein hübsches Exemplar“ zu sehen bekommen. Sie harren trotz eisiger Temperaturen aus und stellen sich brav in einer Reihe an, um ein „Selfie“ mit Sofie zu schießen.

Sofie läuft am 5. August 1950 im VW-Werk in Wolfsburg vom Band. Seine ersten Jahre verbringt der Kastenwagen diensteifrig und ihrer Bestimmung gemäß bei der Mützenfabrik J.C.Kornacker in Hildesheim. Sein luftgekühlter Vierzylinder-Boxer im Heck holt aus 1131 Kubikzentimetern Hubraum gut 18 kW / 25 PS bei 3300 Umdrehungen in der Minute. Damit bringt es Sofie mit ihrem zentral angeordneten Bremslicht am Heck und dem darüber angeordneten großen VW-Logo auf eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Sofie, gerade einmal 4,1 Meter lang und 1,7 Meter breit, aber 1,90 Meter hoch und mit zwei Flügeltüren an der Beifahrerseite verkörpert die Anfangsjahre des Bulli.

 ©Volkswagen

Rund 23 Jahre lang ist Sofie für die Hildesheimer Mützenfabrik auf Achse. Ein privater Autosammler erwirbt sie dann im Jahr 1973 und erkennt das Potenzial der nützlichen Schönheit. In einem privaten Automuseum wird Sofie zum Ausstellungsobjekt, als Teil der deutschen Industrie- und Nachkriegsgeschichte.

Der dänische Bulli-Sammler Tonny Larsen erwirbt schließlich den per Anzeige angebotenen Kastenwagen, der bis 1992 nicht bewegt wurde, aus dem Bestand des Automuseums, als dieses aufgelöst werden muss. Er kauft Sofie ungesehen. Ein paar Tage später reist er mit einem Freund nach Deutschland – um den ältesten VW T1 in Privatbesitz nach Dänemark zu holen. „Für mich war das ein ganz großer Moment“, erzählt Larsen. Da er sich sicher ist, dass das Auto und er eine lange Zeit zusammen bleiben werden, gibt er ihm einen Namen. Sofie hieß schon der erste T1, der in den 1950er-Jahren nach Dänemark ausgeliefert wurde.

 ©Volkswagen

Nach Jahren der Untätigkeit und des Nichts-Tuns funktioniert bei Sofie manches nicht mehr so ganz richtig. Also tauscht der Däne Motor und Bremsen aus. Und macht eine erste Probefahrt. Immerhin, das Getriebe funktioniert noch, was den neuen Besitzer einigermaßen überrascht, schließlich ist Sofie zu diesem Zeitpunkt bereits 32 Jahre alt. Die meiste Arbeit ist für das Äußere der Dame notwendig. Überall taucht Spachtelmasse auf – und darunter das „braune Gold“: Rost. Tonny Larsen erledigt alle notwendigen Reparaturen am Blech des Kastenwagens und lässt Sofie in neuem Glanz erstahlen: Der Kastenwagen wird frisch lackiert.

Sofie und Tonny Larsen sind in den kommenden Jahren beinahe unzentrennlich. Sie absolvieren gemeinsam etliche Oldtimer-Ausfahrten, Rallyes und Treffen. Ehrensache, dass Sofie auch beim legendären Bulli-Treffen 2007 in Hannover mit dabei ist. „Damals haben wir den Preis für das älteste teilnehmende Fahrzeug bekommen“, erzählt Tonny Larsen strahlend. Nach 23 424 gemeinsamen Kilometern und „tollen Jahren“ fühlt er sich aber irgendwann zu alt, um sich weiterhin mit Sofie zu kümmern, die ja noch „ein jünger Hüpfer“ sei. Angebote anderer Sammler, den taubenblauen T1 zu verkaufen, lehnt er jedoch ab. Er befürchtet, dass Sofie in einer privaten Sammlung verschwindet. In Hannover, dem Sitz der Nutzfahrzeugabteilung von Volkswagen, so meint er, sei sie aber sicherlich gut aufgehoben. „Ich weiß, dass es ihr Zuhause am besten geht“, sagt er. Und so kommt Sofie in die historische Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN).

 ©Volkswagen

„Ich wollte ihr einen Namen geben. Denn ich wusste, dass wir eine lange Zeit miteinander verbringen werden“, meint Tonny. Er sollte Recht behalten.

Kaum dass der alte Transporter in Hannover angekommen ist, ruft Larsen aus Dänemark an. Er erkundigt sich nach dem Befinden „seines“ Busses. „Geht es Sofie gut? Hat sie die Reise gut überstanden?“ Hat sie. Jetzt gehört der Bulli mit der Fahrgestellnummer 20 1880 und 65 Jahren auf dem rundlichen Buckel wieder VW – als ältester T1 im Konzern, der sich noch in unverbautem und fahrbereitem Zustand befindet.

ampnet/gp